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Kirche mal anders – nur analog war gestern

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Spätestens seit der Papst auf Twitter anzutreffen ist, hat auch die katholische Kirche begriffen, dass Glauben nicht nur analog funktioniert.  Auch der Gottesdienst ist inzwischen nur noch einen Klick entfernt. Das Erzbistum Köln gilt als einer der Vorreiter in Sachen Web-Nutzung. 

Videoclips in der Mediathek von Domradio.de

Videoclips in der Mediathek von domradio.de

Anita Schütz ist gebürtige Kölnerin. Bis vor einem Jahr besuchte die 63-Jährige fast jeden Sonntag den 10-Uhr-Gottesdienst im Kölner Dom. Mittlerweile kann Schütz die Messe nur noch gelegentlich besuchen. Sie ist an Krebs erkrankt und verlässt ihre Wohnung nur noch selten. Am Gottesdienst kann sie dennoch teilnehmen, denn die Messe aus dem Kölner Dom wird mehrmals pro Woche live übertragen. Wer will, kann sich die Heilige Messe über die Website domradio.de von Montag bis Samstag um acht Uhr morgens im Web anschauen. An Sonntagen können hier das Kapitelsamt, das Pontifikalamt oder die Vesper online mitgefeiert werden.
Das Domradio  ist der christliche Hörfunksender des Erzbistum Kölns. Die Übertragung der Gottesdienste erfolgt crossmedial – sowohl im Web, via Center TV, dem regionalen Fernsehsender und über das Radio. Man hat sich hier bewusst dazu entschieden, die Messe live zu übertragen und ungekürzt genau so zu zeigen, wie sie im Kölner Dom stattfindet. Dadurch haben auch Gläubige, die viele Kilometer weit weg wohnen oder die Messe aus anderen Gründen nicht besuchen können, die Möglichkeit daran teilzunehmen. „Wir wollen den Menschen, die den Gottesdienst im Web anschauen, nichts vorspielen“, sagt Domdechant Robert Kleine. Einen Sondergottesdienst, der nur für die Online-Übertragung angesetzt wird, gibt es nicht. „Es geht hier um eine aktive Teilnahme der Gläubigen. Parallel zum Schauen kann der Gottesdienst im Wohnzimmer mitgefeiert werden“, so Kleine weiter. Durch die Liveübertragung können die Menschen Gebete mitsprechen, die Hände falten und den Gottesdienst ortsunabhängig miterleben.
Anita Schütz ist vor rund fünf Monaten durch ihren Enkel auf das Angebot von domradio.de gestoßen. „Eigentlich kannte ich mich mit dem Internet nicht aus, mein Enkel hat mir die nötigen Geräte besorgt, alles eingerichtet und erklärt“, sagt die 63-Jährige. Mit einem Tablet kann sie seitdem auf die kirchlichen Videos im Web zugreifen. „Das Schöne ist, dass ich auch an einem Tag, an dem ich mich schlecht fühle und im Bett liege oder im Krankenhaus bin, bei der Dom-Messe dabei sein kann. Das schenkt mir Kraft.“

Auch im Ausland nehmen Gläubige am Live-Gottesdienst teil

Die Website domradio.de ist über die Grenzen Deutschlands bekannt. Domdechant Kleine bekommt regelmäßig Anrufe oder Zuschriften von Menschen aus angrenzenden Ländern, die auf die Heilige Messe im Web zugreifen. „Erst vor Kurzem traf ich ein Ehepaar aus Holland. Sie erzählten mir, dass ihr Tag immer mit der 8-Uhr-Messe aus dem Kölner Dom beginnt, da es in ihrer Gemeinde unter der Woche keine Heilige Messe gibt.“ An Sonntagen greifen rund 1.000 Menschen aus ganz Deutschland und dem Ausland auf das Webangebot zu. Wer den Gottesdienst verpasst hat, kann ihn sich zu einem späteren Zeitpunkt in der Mediathek ansehen. Hier werden auch Auszüge aus dem Gottesdienst, wie beispielsweise die Predigt, archiviert. Es ist sogar möglich, diese als Podcast herunterzuladen.

Melanie Schimanski schaut Domradio.de

Melanie Schimanski schaut eine Messe auf domradio.de

Die Mediathek wird besonders von jüngeren Menschen genutzt. Melanie Schimanski schafft es meistens nicht, zu den „normalen“ Zeiten des Sonntags-Gottesdienstes vor dem Rechner zu sitzen. Auch die Heilige Messe in ihrem Heimatort Herdecke bei Dortmund besucht sie aus Zeitgründen selten. Die 29-Jährige arbeitet als Krankenschwester und ist fast immer am Wochenende eingeteilt. „Ich möchte auf den Gottesdienst nicht verzichten, deshalb nutze ich die Mediathek“, sagt Schimanski. Durch das Angebot von domradio.de kann die Krankenschwester die Heilige Messe zeitunabhängig erleben. Im Dom selbst war sie zwar bei einem Gottesdienst noch nie, doch das sei auch nicht wichtig. „Die Heilige Messe ist das, was für mich zählt. Es ist egal, wo sie gefeiert wird.“
Robert Kleine sieht den Schritt ins Web für die Kirche als besonders wichtig an. Um die Gläubigen zu erreichen, sei der Gang über Neue Medien heutzutage auch eine Pflicht. „Der Apostel Paulus war ja der Völkermissionar und hat damals auf seinen Reisen die Botschaft unter die Leute gebracht. Heute haben wir andere Möglichkeiten, die frohe Botschaft zu verkünden. Das ist unsere Pflicht, also nutzen wir sie“, so Kleine. Die Möglichkeit, dass Menschen bei der Messe aktiv mitwirken können, obwohl sie an einem anderen Ort sind, soll insbesondere erkrankten Gläubigen wieder Mut geben ihren Glauben zu wahren. Die Heilige Messe im Web aktiv zu erleben, soll auch ihnen das Gefühl geben, dabei zu sein. „Wir begrüßen nicht nur die Menschen im Dom, sondern wir begrüßen auch die Menschen die über die Medien mit uns verbunden sind“, ergänzt der Domdechant.

Das Web als Zusatzangebot zukünftig auch für kleinere Gemeinden

Das Web ist für die katholische Kirche in Köln ein Zusatzangebot. Der Gottesdienst soll nach wie vor ein Ort der Begegnung bleiben. Dennoch ist es vorstellbar, dass das Web zukünftig intensiver genutzt wird, um noch mehr Menschen zu erreichen. Derzeit überträgt Domradio.de die Gottesdienste aus dem Kölner Dom und hin und wieder auch aus größeren Gemeinden anderer Städte. Um eine Messe aus dem Dom zu übertragen, nutzt das Team sechs ferngesteuerte Kameras, drei Leute werden in der Regie benötigt. Je nach Gottesdienst kommt noch eine freie Kamera zum Einsatz. Damit wird gewährleistet, dass der Gottesdienst aus verschiedenen Einstellungen gezeigt werden kann. Mittels des Kamera-Zooms bekommt der Zuschauer über das Web teilweise sogar ein näheres und größeres Bild des jeweiligen Lektors als die Menschen im Dom.

Die Messe in kleineren Pfarreien in Köln ist derzeit nur vor Ort zu erleben. Zu groß sei noch der Aufwand einer Online-Übertragung, meint Stephan Baur, der stellvertretende Chefredakteur von domradio.de. „Viele ältere Menschen, die die Gottesdienste kleinerer Gemeinden besuchen, sind nicht im Web unterwegs. Die Übertragung der Heiligen Messe aus kleinen Gemeinden wäre vermutlich noch nicht stark frequentiert“, merkt Baur an.
Zukünftig könnte sich der stellvertretende Chefredakteur vorstellen, dass die Gottesdienste aus vielen kleinen Gemeinden übertragen werden, denn man kann davon ausgehen, dass die heutigen Onliner auch im Alter im Web aufzufinden sind. „Der Trend geht ganz klar in Richtung Web.“ Doch auch hier ist alles eine Frage des Aufwands und der Kosten. In Köln wird die Übertragung der Gottesdienste mit professionellem Personal durchgeführt. Domradio.de fungiert hier vielleicht als Vorreiterrolle, denn der Sender ist der erste seiner Art, der komplett von einem Bistum getragen wird. Möglicherweise nehmen sich Pfarreien und Gemeinden ein Beispiel daran. „In Münster werden mittlerweile auch Gottesdienste ins Web übertragen, hier lernen sie Ehrenamtliche an, um die Kameras zu bedienen“, fügt Baur hinzu.
Wie bereits in vielen Bereichen der Kirche könnte das Ehrenamt auch für die Web-Arbeit in Zukunft eine große Rolle spielen. Durch die Hilfe Freiwilliger wären Übertragungen aus kleinen Gemeinden kostengünstig realisierbar. Menschen, die den Gottesdienst nicht mehr besuchen können, hätten dann die Möglichkeit aktiv an der Heiligen Messe ihrer Gemeinde teilzunehmen. Abstriche in der Qualität der Übertragung müsste man dann in Kauf nehmen.
Schauen Sie auf www.domradio.de für Live-Übertragungen in Köln und auf www.paulusdom.de für Live-Übertragungen in Münster.

Katharina Schäfgen


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